Dienstag, 18. Juni 2013

Schlösser, Burgen und Da Vinci

Eine Schlösser-Tour durch das Loiretal

Burgschloss Amboise an der Loire, Fotos: hw
Das landschaftlich so beschauliche Loiretal im Herzen Frankreichs ist nicht nur wegen seiner zahlreichen Schlösser und Burgen sehenswert, sondern legt auch Zeugnis von 1300 Jahren wechselhafter Geschichte(n) ab: Die Loire und ihre Nebenflüsse markierten einst die Grenze zwischen Normannen und Franzosen und später zwischen dem deutsch besetzten Frankreich und dem Pétain-Regime.

Für unsere Tour haben wir das Kernstück des Loiretals gewählt, zwischen zwei historisch bedeutsamen Städten: Im Osten Orleans, 1429 von einem lothringischen Bauernmädchen namens Jeanne gerettet, das später als Johanna von Orleans zur französischen Nationalheiligen gerann, und im Westen Tours, das 732 durch Karl Martells Sieg gegen die Mauren zu abendländischer Bedeutung kam.

Tipp: Wer direkt von Metz kommt, sollte keine Zeit verplempern und die 470 km auf den Autobahnen A 4/A 10 herunterrasen – die Landschaft dazwischen ist kein großer Renner. Ab Orleans sollte man aber unbedingt auf die Landstraßen wechseln, auf die Route Nationale N 152 oder – noch besser – auf der linken Loireseite auf die kleineren Landstraßen, die näher am Fluss bleiben. Hier gilt einmal mehr: Der Weg ist das Ziel.


Orleans: Im Zeichen der Jungfrau

Die Kathedrale von Orleans

In Orleans kann man das Auto gratis am Loireufer oder zu moderaten Preisen in einem Parkhaus versenken und sollte sich den Altstadtkern erlaufen. An den langen Avenues mit ihren Straßenbahn-Trassen, die von der Altstadtbrücke aus verlaufen, erkennt man neuzeitliche (aber durchaus reizvolle) Stadtplanung: Die Häuserfronten verlaufen schnurgerade. Am Ende der Rue Etienne Dolet ragt Sainte-Croix d’Orléans 114 Meter hoch empor. Der Kathedrale sind die verschiedenen Stilmoden ihrer fast 600-jährigen Bauzeit anzusehen, im Kern ist sie aber ein beeindruckendes gotisches Bauwerk. Jeanne d’Arc wird hier als Heilige verehrt – von der selben katholischen Kirche legitimiert, die sie im 15. Jahrhundert als Ketzerin verbrennen ließ. Die Franzmänner gehen über ihre Mitschuld am Tod ihrer nationalen Erweckerin indes großzügig hinweg. Auf den Buntglasfenstern der Kathedrale, die das Leben Jeanne d’Arcs zeigen, heißt es unter der Todesszene nur nebulös: „...auf Geheiß der Engländer verbrannt“. Dass es französische Kleriker, Hochadlige und deren „Vollzugsbeamte“ waren, die Johanna auf den Scheiterhaufen brachten, wird da nicht ausgebreitet.

Ein paar Stunden sollte man danach für einen Altstadtbummel einplanen: Das Zentrum zeigt sich mit teils wundervoller mittelalterlicher Bausubstanz. Auch Abstecher zum Jeanne-d’Arc-Museum und zum Place du Matroi mit der Johanna-Reiterstatue lohnen. Am Abend bietet sich ein Bummel am Loire-Ufer an.

Blois: Vier Stile in einem Schloss


Blois liegt etwa 60 Kilometer flussabwärts von Orleans und glänzt mit einem Schloss, das durch seine vielen Umbauten vier Architekturstile in seinen Flügeln vorzuweisen hat: hochmittelalterliche Gotik, Spätgotik, Renaissance und Klassizismus. Besonders interessant ist der blau gehaltene Ständesaal, in dem man sich übrigens auf einem Königsthron ablichten lassen kann.

Das „Affenmädchen“ (Gemälde von
lavinia Fontan), Wikipedia, public domain


Ein Abstecher ins „Museum der Schönen Künste“ auf Schloss Blois lohnt sich: Neben vielen anderen kunstfertigen Skulpturen und Gemälden findet dort beispielsweise das Bildnis der Tognina Antonia Gonsalvus, des sogenannten Affenmädchens, das auf dem Bild ein Dokument vorweist, das sie offiziell als Mensch ausweist. Dahinter steckt eine traurige, für die Barockzeit aber gar nicht ungewöhnliche Geschichte: Ihr Vater Petrus Gonsalvus und große Teile der ganzen Familie litten unter einer seltenen Erbkrankheit, der Hypertrichose, die zu einer Überbehaarung des gesamten Körpers und des Gesichtes führte und möglicherweise einer der Ursprünge für die vielen europäischen Werwolf-Legenden war. Barocke Fürsten hielten sich solche Menschen als Monstrositäten, als Belustigung für die höfischen Gäste.

Gleich gegenüber vom Schloss kommt übrigens wieder einmal der Disneyland-Impuls der Franzosen zum Tragen: Aus dem Balkon des „Hauses der Magie“ reckt sich regelmäßig eine übergroße Drachenpuppe aus dem Fenster und versucht Touristen zu betören.

Château de Chambord: Die kreisenden Mühlen


Von Blois aus lohnt sich der 18-km-Abstecher zum Château de Chambord, einem der spektakulärsten Loire-Schlösser. Ab 1519 wurde es unter Franz I. zunächst mit einem Grundriss erbaut, der an vier kreisende Mühlen erinnert, im Innern nahm eine gegenläufige Doppeltreppe dieses Muster wieder auf. Laut einer lokalen Legende ging der Entwurf möglicherweise auf Leonardo da Vinci zurück, der ganz in der Nähe auf Einladung des Königs seine letzten Lebensjahre in Frankreich verbrachte.
Schloss Chambord - der Ursprungsgrundriss ging durch Umbauten verloren. Foto: hw

Die Burgruine von Vendome


Burgruine Vendome. Foto: hw


Wer auch ein paar Beispiele besichtigen will, in denen einstige Burgen nicht zu Schlössern umgebaut wurden, sondern verfielen, kann - statt des direkten Weges weiter nach Amboise - einen kleinen Umweg über Vendome und Lavardin machen: Beide Burgruinen sind malerisch, allerdings nur über halbillegale Trampelpfade beziehungsweise zu eher seltenen Öffnungszeiten direkt besichtigbar.

Schloss Amboise: Am Grab Da Vinicis

Vieles erinnert auf Amboise an da Vinci. Foto: hw

Unser nächster Halt ist Amboise, 36 Kilometer von Blois loireabwärts. Hauptattraktion ist das Schloss, ursprünglich eine gallische Festung, die später zur königlichen Burg umgebaut wurde. Von der einst weitläufigen Schlossanlage sind allerdings nur noch einige Flügel erhalten. Auf dem Plateau findet man auch die Hubertuskapelle, in der die (mutmaßlichen) Gebeine da Vincis ihre letzte Ruhe gefunden haben.

Der italienische Universalgelehrte lebte von 1516 bis zu seinem Tode 1519 im Haus „Clos Lucé“, einen halben Kilometer vom Schloss entfernt. Beim Spaziergang dorthin sollte man immer mal nach links schauen: Im verlängerten Schlossfelsen haben einige Amboiser ihre Wohnungen wie Höhlenhäuser in den Stein gehauen.

In puncto Gastronomie haben wir in Amboise allerdings keine guten Erfahrungen gemacht: Wahrscheinlich, weil die Touristen hier ohnehin busseweise angekarrt werden und automatisch für viel Kundschaft rund ums Schloss sorgen, gibt man sich hier wohl keine rechte Mühe mit der Küche.

Schloss Chenenceau: Auf der Cher gebaut

Chenenceau ist ein Schloss auf einer Cher-Brücke. Foto: hw

Vom Amboise aus ist es wieder nur ein 14-km-Katzensprung bis Chenonceau, das ebenfalls zu den interessantesten Loire-Schlössern gezählt wird. Von hier aus regierte de facto Caterina de Medici im 16. Jahrhundert Frankreich.

Seinen Ruhm zieht das Schloss aber vor allem durch seine Baugeschichte: Thomas Bohier und dessen Gattin Catherine erwarben 1513 dort eine Wehrmühle samt kleiner Burg. Das Paar ließ von der Burg nur den Turm stehen, riss die Mühle auf der Cher ab und errichtete auf deren massiven Flussfundamenten ein Schloss. 1524 konfiszierte Franz I. das Anwesen, sein Nachfolger Heinrich II. schenkte das Schloss seiner Mätresse Diane de Poitiers – und seitdem waren es immer wieder Frauen, die das Areal beherrschten und immer weiter ausbauten.

Katharina von Medici zum Beispiel ließ auf der früheren Brücke zum anderen Ufer hin eine Galerie mit Küchentrakt über dem Fluss bauen, so dass Chenonceau heute wie ein Wasserschloss mit umliegenden Gärten, einem Labyrinth und anderen Attraktionen aussieht. Diese Galerie gewann im II. Weltkrieg noch einmal an Bedeutung, als Resistance-Kämpfer durch das Flussbauwerk über die Cher geschmuggelt wurden, die damals die Scheide von besetztem und unbesetztem Frankreich bildete.


Tours: Wo die Mauren nicht weiter kamen

Querung in der Kathedrale von Tours. Foto: hw

Tours schließlich führt uns von Amboise aus noch einmal 25 km loireabwärts. Auch diese Stadt hat eine sehr schöne gotische Kathedrale, an die sich ein Kloster schmiegt, für dessen Besichtigung man allerdings Eintritt bezahlen muss. Danach ist ein Bummel durch die Altstadt mit ihren vielen mittelalterlichen Häusern empfehlenswert – dort finden sich auch viele hübsche Restaurants und Kneipen, die nicht so touristenüberlaufen sind wie in anderen Loirestädten.

Doppelschlacht zwischen Okzident und Orient

Karl Martell. Abb.: AleksandrGertsen, Wiki, cc3-Lizenz



Die Stadt Tours ist historisch bedeutsamer Boden: Hier und im rund 100 Kilometer entfernten Poitiers schlug 732 Karl Martell – der Opi von Karl dem Großen - eine Doppelschlacht, die den Vormarsch der Araber in Europa zum Stillstand brachte. Allerdings dauerte es dann noch weitere 760 Jahre, bis die spanische Königin Isabella I. und Ferdinand II. 1492 die Mauren ganz aus Europa vertrieben und die „Reconquista“ beendet hatten – und so Ressourcen für solch aufwändige Projekte wie die Entdeckung Amerikas freibekamen.

Wer mehr als eine Woche für seine Reise zur Verfügung hat, kann von Tours der Loire weiter bis zur 260 km entfernten Mündung in den Atlantik folgen – und dort zum Beispiel den deutschen U-Boot-Bunker von St. Nazaire besichtigen. Unterwegs ist ein Zwischenstopp zum Beispiel in Saumur erwägenswert, das neben einer hübschen Altstadt samt Schloss auch ein großes Panzermuseum hat.

Tipps:


Hotels: Wer nicht gerade in der Hauptsaison kommt, findet auch durch spontane Suche vor Ort meist ein bezahlbares Hotel. Die Preise beginnen ab etwa 30 bis 45 Euro, je nach Ort und Saison. Hinzu kommen sieben bis zwölf Euro für das „Petit Dejeuner“, das Frühstück, plus 50 bis 80 Cent pro Kopf und Nacht als Bettensteuer. Wir haben recht gute Erfahrungen mit Booking.com gemacht: Da viele französische Hotels kostenlose WLAN-Zugänge bieten, kann man über dieses Portal von Tag zu Tag über den nächsten Übernachtungsort entscheiden und buchen - man verliert durch diese methode nicht die Spontanität, erspart sich aber lange Suchereien in der nächsten Stadt. Eine Kreditkarte sollte man sein eigen nennen: In Frankreich ist deren Gebrauch inzwischen weiter verbreitet als in Deutschland.

Eintritt: In den meisten Sehenswürdigkeiten werden ca. neun bis zwölf Euro Eintritt (Erwachsene) verlangt.

Per Auto: Unser Konzept sah Landstraßenfahrten vor, da gibt es viel mehr zu entdecken als auf der Autobahn. Für größere Sprünge sollte man letztere aber durchaus nutzen, derzeit (2011) liegt die Mautgebühr um die sieben Cent pro Kilometer. Viele Hotels bieten Gratis-Parkplätze für ihre Gäste an und zumindest in den hier beschriebenen Loire-Städten findet man selbst im Zentrum oft kostenlose oder billige Parkplätze. Die Spritpreise liegen etwa auf deutschem Niveau.